Das Kloster Rathausen zog bis über das Mittelalter hinaus viele Pilger und Besucher an. Es war ein beliebter Wallfahrtsort.
Ein ganz besonderer Ort war nebst der Klosterkirche die heute nicht mehr erhaltene kleine Liebfrauenkapelle mit ihrer sitzenden Madonna mit dem Jesuskind auf den Knien. Sie war ein vielbesuchtes Volksheiligtum, das für seine Wundertätigkeit bekannt war. Kranke und Gebrechliche kamen hierhin in der Hoffnung auf Heilung. Zahlreiche Krücken und Opfergaben seien von Geheilten in der Kapelle hinterlassen und zum Dank gespendet worden, erzählten sich die Klosterfrauen.
Bis zur Klosterreform von 1588-1592 war die neben der Kirche liegende Kapelle für die Bevölkerung frei zugänglich. Danach war sie aufgrund der nun strengen Klausur den Nonnen vorbehalten. Es muss die Klosterfrauen beschäftigt haben, dass man der Bevölkerung einen vielbesuchten Andachtsort „wegnahm“, denn in der Klosterchronik ist ausführlich die Rede davon.
Ein besonderer Ort
Die Liebfrauenkapelle war auch für die Nonnen ein ganz besonderer, spiritueller Ort. Täglich versammelte sich der ganze Konvent zum gemeinsamen Gesang und die Klosterfrauen nutzten die Kapelle für private Andachten. In der Klosterchronik wird von Visionen berichtet, die verschiedene Klosterfrauen dort hatten. Ab 1699 durfte in der Kapelle an hohen Marienfesten auch die Messe gelesen werden.
Maria wurde in Zisterzienserklöstern besonders verehrt. Im Kloster stiess man an zahlreichen Orten auf Marienaltäre oder Marienbilder.
Seelenheil und Fegefeuer
Jenseitsvorstellungen waren im Mittelalter sehr präsent. Nachdem sich im Hochmittelalter nebst der Vorstellung von Himmel und Hölle auch diejenige eines Fegefeuers durchzusetzen begann, wurde im Spätmittelalter der sogenannte Ablass ein beliebtes Instrument, um Sündenvergebung zu erlangen. Fromme Werke wie die Speisung von Armen, Spenden an Kirchen und Klöster oder eine Wallfahrt konnten dazu dienen, die eigene Zeit im Fegefeuer zu verkürzen. Diese Entwicklungen führten auch zum später massiv kritisierten sogenannten Ablasshandel. Indem man die eigenen Sünden reuevoll gestand und eine Spende vornahm, konnte man sich von einer gewissen Anzahl Tage im Fegefeuer «loskaufen».
Auch das Kloster Rathausen versuchte im 14. Jahrhundert mittels sogenannter Ablassbullen zu Spenden zu kommen, um das baufällige Kloster und die Kirche renovieren zu können. Dafür versprach das Kloster, die Spender mit ins Gebet aufzunehmen.