Die Erlebnisse im Kinderheim wirken oft prägend nach. Sie sind für viele bis in die Gegenwart und bis ins hohe Alter belastend.
Folgen sind etwa verstärkte psychische und körperliche Gebrechen, darunter Depressionen und Angstzustände. Einige ehemalige Heimkinder leiden an schlaflosen Nächten; andere nahmen sich das Leben. Als Schutz vor seelischen Schmerzen verdrängten manche die Vergangenheit lange. Auch die Angehörigen leiden mitunter darunter.
Andere konnten leichter mit ihrer Vergangenheit umgehen und positiv in die Zukunft schreiten, auch wenn sie im Heim eine schwierige Zeit erlebt hatten. Jene wiederum, die überwiegend positive Erinnerungen haben, belastet die Vergangenheit nicht, hatte sie der Heimaufenthalt doch beispielsweise gestärkt, sie weitergebracht oder ihnen Chancen geboten.
Viele ehemalige Heimkinder behielten ihre Erlebnisse lange Zeit für sich. Sie schämten sich, Heimkind gewesen zu sein und hatten Angst vor Vorurteilen. Auch das engste Umfeld wusste manchmal nichts von ihrer Vergangenheit im Heim.
Aufarbeitung der Vergangenheit
Erst in den letzten Jahren fand ein Prozess in der Gesellschaft statt, der zu einem Hinsehen führte. Mit dem öffentlichen Auftreten von ehemaligen Heim- und Verdingkindern, die in den Medien von ihren Erlebnissen berichteten, rückte ihr Schicksal ins Bewusstsein einer breiten Bevölkerung. Auf gesellschaftlicher, wissenschaftlicher und politischer Ebene und seitens beteiligter Institutionen finden wichtige Aufarbeitungsprozesse statt, die die Fremdplatzierungen und fürsorgerischen Zwangsmassnahmen betreffen. Neben Heim- und Verdingkindern sind dies schweizweit etwa auch administrativ Versorgte, Zwangssterilisierte und -kastrierte, Zwangsadoptierte oder «Kinder der Landstrasse». In Rathausen selbst wurde 2009 ein Apfelbaum durch die römisch-katholische Landeskirche des Kantons Luzern als “Denk-Mal“ gesetzt.
Kritisches Betrachten der Gegenwart
Das Heimwesen hat sich stark gewandelt, bleibt aber ein sensibler Bereich. Neben einer Aufarbeitung und Anerkennung der Vergangenheit ist ein kritisches Betrachten der Gegenwart wichtig, um vergangene Fehler nicht zu wiederholen und neue Fehler rechtzeitig zu erkennen.
Umgang mit der Vergangenheit
Die römisch-katholische Landeskirche des Kantons Luzern sowie der Kanton Luzern als erster Schweizer Kanton gaben je eine wissenschaftliche Untersuchung in Auftrag, die beide 2012 der Öffentlichkeit präsentiert wurden. Basierend auf den Resultaten der Untersuchungen entschuldigten sich Kirche und Kanton bei den Betroffenen.
Ries, Markus / Beck, Valentin (Hg.), Hinter Mauern. Fürsorge und Gewalt in kirchlich geführten Erziehungsanstalten im Kanton Luzern, Zürich 2013.
Bericht Kinderheime im Kanton Luzern im Zeitraum von 1930-1970. Schlussbericht zuhanden des Regierungsrates des Kantons Luzern