In der Kirche sassen die Mädchen und Knaben getrennt auf zwei Seiten (links die Mädchen und rechts die Knaben). Es war in der katholischen Kirche bis zum zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) generell üblich, dass es eine Frauen- und Männerseite gab. Die Trennung zwischen den Geschlechtern wurde auch im Heimalltag strikt eingefordert. Ein Grund dafür war, mögliche sexuelle Annäherungen zu verhindern.
Die strikte Trennung der Mädchen und Knaben im Heim gelang aber nicht immer, gab es doch da und dort Schlupflöcher, etwa in der Schule und in den Gängen, wo eine kurze Begegnung möglich wurde und wo man sich Zettel zusteckte oder etwas zuflüsterte. Weiter kam es zu homosexuellen Annäherungen.
Die Keuschheit im Visier
Die Strafen folgten umgehend, wenn ein «Fehlverhalten» ruchbar wurde, das den Anschein einer Intimität hatte. Heimkinder galten von ihrer Anlage und Herkunft her als besonders «gefährdet». Entsprechend gross war die Sensibilität gegenüber sexuellen Handlungen unter ihnen. In der Beichte wurde denn auch auf das Keuschheitsgebot besonderes Gewicht gelegt.
Geschlechtsspezifische Erziehung
Der Arbeitsalltag sah für Mädchen und Knaben anders aus. Die Mädchen wurden, wie dies dem damaligen Rollenbild entsprach, mehr mit häuslichen Arbeiten, wie Strick-, Flick- und Küchenarbeiten, beschäftigt, während die Knaben stärker im eigenen Landwirtschaftsbetrieb und in den Werkstätten (Schreinerei, Schuhmacherei) eingesetzt wurden.
Jahresbericht Rathausen 1938. StALU, A 853/1.2.